Wen wundert es, dass es ausgerechnet einem Schweizer zu verdanken ist, dass die Eisenbahn Einzug hielt in Äthiopien?
So reiste der Ingenieur Alfred Ilg 1879 im Auftrag einer Schweizer Firma nach Äthiopien, um dort mit seinem Fachwissen Kaiser Menelik beim Aufbau seiner neuen Hauptstadt Addis Abeba, beratend zur Seite zu stehen.
Schon bei seiner Reise über Mittelmeer und Rotes Meer sowie durch die Hitze der, zu dieser Zeit französischen Kolonie Somali-Küste (heute Djibouti / Dschibuti), muss ihm die Notwendigkeit des Baus einer Eisenbahnlinie deutlich geworden sein.
Bei vielen Äthiopiern traf sein Ingenieurswissen auf Widerstand, vermutete man in seiner Person doch einen Mann, der für die Kolonialmächte, die einzig Äthiopien noch nicht hatten einnehmen können, ausspionierte. Doch nach und nach konnten die von ihm vorgesehenen Projekte, wie die erste Wasserleitung des Landes, verwirklicht werden. Er hatte gar 1896 nicht unerheblichen Anteil am Sieg der Äthiopier gegen die Italiener in der Schlacht von Adwa, kämpften die Äthiopier doch mit Waffen aus seinen Schmieden.
Im Folgejahr wurde Ilg schliesslich der Beauftragte für den Bau der Eisenbahnlinie von Dschibuti nach Addis Abeba und musste dabei mit den Franzosen verhandeln, die seinerzeit als Kolonialmacht in Dschibuti regierten. Vom ersten Spatenstich in im Oktober 1897 bis zur Vollendung der 784 Kilometer langen Bahntrasse, sollte es fast 20 Jahre dauern.
Ingenieur Ilg erlebte dies nicht mehr. Er verstarb bereits 1916.
Im Jahre 1929 wurden schliesslich das Bahnhofsgebäude in Addis Abeba fertiggestellt.
Der Einzug des Bahnzeitalters brachte Äthiopien und der Hauptstadt Addis Abeba einen grossen Aufschwung. Mit der Bahn konnten in grossen Mengen Waren ins Land eingeführt oder auch ausgeführt werden. Kaiser Menelik importierte mittels der Bahn auch Waffen für den Unabhängigkeitskampf Äthiopiens. Fast 100 Jahre spielte diese Bahnlinie eine grosse Rolle für die Geschichte und Wirtschaft Äthiopiens, bevor sie 2008 in recht baufälligem Zustand stillgelegt wurde. In den frühen 2000er Jahren verkehrten nur noch selten Personen- und Güterzüge zwischen Dire Dawa und Dschibuti.
Heute hat die damalige Pionierleistung nur noch nostalgischen Charakter. Während das alte Bahnhofsgebäude noch weitestgehend erhalten ist, wird die Bahnlinie zusehends von Gras und Büschen überwuchert. Zum Teil bauen die Äthiopier auf dem begleitenden Grün der Linie sogar ihr Gemüse an. Doch fast genau 100 Jahre nach der Eröffnung der alten Bahnlinie, wurde 2016, unweit der alten Trasse, eine neue Linie von Addis Abeba nach Dschibuti eröffnet. Diesmal waren es die Chinesen, die diesen Bau finanzieren und organisieren. So ist Die Hauptstadt Äthiopiens wieder mit einem Hafen verbunden und Äthiopien etwas weniger ein abgeschlossenes Binnenland.