2. Die Wiege der Menschheit

Das Hochland von Äthiopien ist wegen seines angenehmen und gesunden Klimas ausgesprochen gut besiedelt. Deshalb stammen verschiedene Volkgsgruppen und Kulturen aus diesem Gebiet. Selbst die Entstehungsgeschichte der Menschheit lässt sich dort am weitesten zurückverfolgen.

Ostafrika wird heute von den Forschern als Wiege der gesamten Menschheit betrachtet. Im Omo-Tal, dem Einzugsgebiet des Rudolfsees in Südäthiopien, wurden die bis anhin ältesten Knochen und Werkzeuge von Vorläufern der Menschheit gefunden. Die Reste des sogenannten ‚Australopithecus‘ datieren über zwei Millionen Jahre zurück.

Die äthiopische Legende allerdings erklärt das Entstehen des Menschen anders: ‚Gott, der Herr, formte den Menschen aus Lehm und brannte ihn anschliessend im Feuer. Beim ersten Versuch blieb das neue Wesen zu lange in der Hitze; es entstand der schwarze Afrikaner. Da bildete der Herr einen zweiten Körper und stellte ihn nur kurz ins Feuer. Der weisse Mann entstand, doch Gott war mit seinem Werk noch nicht zufrieden. Beim dritten Versuch wusste der Herr die Brenndauer richtig zu wählen. Der hellbraune Abessinier entstand, gewissermassen als Krönung der Schöpfung‘.

Die Erzählung würdigt nicht nur die schöne Haut und den anmutigen Körperbau der Äthiopier. Sie zeugt auch vom gesunden Volksstolz dieser Menschen, die sich gegenüber den negroiden Völkern (sicher unbegründet) erhaben fühlen und (berechtigterweise) gegenüber der weissen Rasse keine Minderwertigkeitskomplexe besitzen.

Die wahre Entstehung des äthiopischen Völkermosaiks lässt sich nur aus der Vermischung verschiedener Volksgruppen erklären. Während man über die Urbevölkerung recht wenig weiss, dürfte es sich bei der Frühbevölkerung, den Kuschiten, um frühe Einwanderer aus dem Orient gehandelt haben. Vergleichsweise spät, vor gut 2000 Jahren, vermischten sich diese Völker mit semitischen Einwanderern aus Südarabien. Dieser Verschmelzungsprozess brachte das Königreich von Aksum und seine Hochkultur hervor. Die Aksumiten waren gewiefte Kaufleute und trieben mit Arabien, Ägypten und Indien regen Handel. Sie exportierten Elfenbein, Gold und Sklaven im Austausch gegen Baumwolle, Tuch, Glas und metallene Waffen. Unter König Ezana, um 359 der heutigen Zeitrechnung, nahmen sie das Christentum an.

Aufgrund kämpferischer Auseinandersetzungen mit islamischen Volksgruppen und wohl auch wegen des fortschreitenden Verfalls der Ackerböden und Wälder verschwand das Reich Aksum vor dem Ende des ersten Jahrtausends. Die politische und wirtschaftliche Macht verlagerte sich in den Süden. Die Königsdynastien von Lalibela lösten diejenigen von Aksum ab. Gleichzeitig nahm aber auch die islamische Bedrohung zu, die im Spätmittelalter nur noch dank der Waffenhilfe der Portugiesen abgewehrt werden konnte. Um1650 wurde Gondar zur neuen Hauptstadt des Reichs erkoren. Erst 1887 gründete Kaiser Menelik Addis Abeba (= neue Blume), und Äthiopien trat damit in die Neuzeit ein.

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